Seit dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten, Herrn Lübke,
ist in unserem Land ein neues Thema auf den Tisch gekommen.
Die
Gewaltbereitschaft einzelner Menschen, insbesondere gegen Kommunalpolitiker.
Wie Luftblasen in einem Morast, treten immer wieder neue Schreckensnachrichten
hervor und verbreiten einen unangenehmen Geruch, wenn sie zerplatzen.
Was ist
los in unserer Gesellschaft?
Warum herrscht so ein raues und dissoziales Klima,
bis hin zur Gewaltbereitschaft ohne erkennbaren Grund?
Ich glaube, es liegt an einer „neuen Spezies“ Mensch:
Den
Bessermenschen.
Diese Sorte Menschen können grundsätzlich alles besser und, vor
allem,
sie sind besser als alle anderen Menschen.
Sie können besser
Fußballspielen, als unsere Nationalmannschaft;
sie hätten eben diese Mannschaft
besser aufgestellt, als der Bundestrainer;
sie fahren besser Auto, als andere
Verkehrsteilnehmer und
sie sind Verfechter der freien Meinungsäußerung.
Jedenfalls so lange, so lange es die eigene Meinung ist.
Einem anderen gestehen
sie dieses
Recht, der freien und vor allem der eigenen Meinung,
nicht zu.
Vielfach tobt sich diese Sorte Mensch in den sozialen Netzwerken aus.
Gerade Twitter ist hier
ein willkommener Ort für Bessermenschen.
Hier können sie sich in den
Kommentierungen jeglicher Postings suhlen.
Erkennbar sind ihre „Beiträge“
daran, dass spätestens nach dem dritten Kommentar,
es nicht mehr um die Sache an
sich geht, sondern nur noch darum,
den Vor-Kommentator zu diffamieren.
Bis hin
zum verbalen Tiefschlag, das Gegenüber hätte sowieso keine Ahnung vom Thema
und
solle sich, gelinde gesagt, in Luft auflösen.
Wagt der Denunzierte nun eine
Gegenrede, wird er sofort mit noch mehr Dreck beworfen,
weit weg jeglicher
Sachlichkeit und weit weg vom Ursprungsthema.
Diese zwei Faktoren des Bessermenschen an sich sind allerdings
noch nicht dramatisch
oder gar gefährlich.
Ähnlich verhält es sich auch mit
Schwarzpulver.
Seine Bestandteile, locker zusammengemischt, lassen zwar ein
reaktionäres Gemisch entstehen,
doch explosiv wird es dann erst mit dem nötigen
Druck, auf diese Mixtur.
Bessermenschen mit fehlender Fähigkeit der
Selbstreflexion,
mit einer gehörigen Portion an dissozialem Auftreten,
einer
Portion Arroganz und Rücksichtslosigkeit und dem entsprechenden
Gesellschaftlichen Druck, lassen einen extremistischen und vielleicht auch
tollwütigen Spinner gedeihen.
Mindestens brandgefährlich, wenn nicht gar in
höchstem Maße explosiv.
Das sind die Menschen, die bereit sind zu töten,
wenn
jemand nicht gleicher Meinung - nicht ihrer Meinung - ist.
Das fatale an der Sache ist, dass es in unserer Gesellschaft
mittlerweile sehr viele Bessermenschen gibt.
Nicht explosiv, aber mit der
nötigen Grundsubstanz ausgestattet.
Beweise und Beispiele hierzu gibt es im
täglichen Miteinander zu Hauf.
Am deutlichsten wir dies im Straßenverkehr.
Das
Blinken, bei einem Fahrspurwechsel oder beim Abbiegen, ist nicht mehr üblich.
Der Andere soll eben warten, bis ICH abgebogen bin!
Die Haltung:
„Ich kann tun
und lassen, was ich will! Denjenigen, den es stört, kann ja gehen!“
Ist ein weiterverbreitetes
Denken.
Heute wird
nicht mehr die Frage gestellt, ob das eigene Tun, vielleicht jemanden stören könnte.
Nein, wem mein
Tun nicht passt, der soll - gefälligst - verschwinden.
Telefonieren in der
Öffentlichkeit, Klingeltöne der Mobiltelefone in Maximallautstärke,
das Betrachten von
Videos auf dem Smartphone mit ebenfalls erhöhter Lautstärke
und viele weitere
kleine Mosaiksteine, die ein respekt- und rücksichtsloses Verhalten an den Tag
legen.
Und dabei spielt weder das Alter, noch die Herkunft eines Menschen, eine
ursächliche Rolle.
Dieses, aus meiner Sicht dissoziale Verhalten, verbreitet
sich wie ein Virus in unserer Gesellschaft. Auch findet man Bessermenschen
kaum, oder gar nicht in gemeinnützigen Organisationen. Bessermenschen sind
nicht gemeinnützig.
Bessermenschen sind sich selbst am nächsten und sie wissen
es auch!
Ein weiteres Erkennungsmerkmal von Bessermenschen,
ist das
grundsätzliche in Frage stellen einer Expertenmeinung oder Expertenhandlung.
Nicht zu verwechseln mit dem Hinterfragen von vielleicht unverständlichen oder
komplexen Zusammenhängen.
Der Bessermensch ist besser als ein Experte.
Wozu
also noch fragen?
Der Experte hat sowieso keine Ahnung!
Und so kommt es, dass
selbst offensichtliche Tatsachen grundsätzlich verworfen werden.
Auch, und
gerade gegenüber Politikern.
Die haben sowieso keine Ahnung.
Keiner!
Da
allerdings der Bessermensch nicht gemeinnützig veranlagt ist,
wird es
ihn auch nicht in die Politik ziehen, um es tatsächlich besser zu machen.
Nein,
er bleibt brav auf dem Sofa und weiß es von dort aus besser.
Auch in der
aktuellen Klimadebatte wird das eigene Handeln und die eigene Rolle nicht
hinterfragt. Der Staat müsse Regelungen schaffen, die wiederum nicht das
persönliche Wohlbefinden tangieren dürfen. Aus eigenem Antrieb, aus eigener
Initiative einen kleinen „freiwilligen“ Beitrag leisten - Fehlanzeige.
„Sollen
doch erst mal die Anderen mit gutem Beispiel voran gehen!“
Welche Brisanz der
Virus Bessermensch hat, zeigt sich auch in dem jüngsten Anschlag von Halle.
Hier hat die explosive Version eines Bessermenschen zugeschlagen.
Verblendet,
realitätsfremd und unfähig sich selbst zu hinterfragen.
Und das in einem
Zeitalter der maximalen Informationsbeschaffung und freien Meinungsbildung.
Ist
dies der Anfang vom Untergang unserer Zivilisation?
Die schleichende virulente Zerstörung unseresgleichen?
Man muss diesen
Eindruck bekommen, denn dieses Phänomen kennt keine geografischen oder
kulturellen Grenzen.
Eine schnell um sich greifende Krankheit verbreitet sich
hier weltweit.
Ist es unsere Genetik, die uns hindert friedvoll, respektvoll
und vor allem rücksichtsvoll miteinander umzugehen?
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